The Girls von Emma Cline

Dienstag, 30. Mai 2017


Original: "The Girls" / 2016, Hanser Verlag*, 352 Seiten, Übersetzer / -in: Nikolaus Stingl, gebunden, Einzelband, ★★★★★ 5 von 5 Sterne, hier kaufen als Buch, eBook oder Hörbuch

E I N   M E I S T E R S T Ü C K   D A S S   E U R E   H E R Z E N   B R E C H E N   W I R D 

Kalifornien, 1969. Evie Boyd ist vierzehn und möchte unbedingt gesehen werden – aber weder die frisch geschiedenen Eltern noch ihre einzige Freundin beachten sie. Doch dann, an einem der endlosen Sommertage, begegnet sie ihnen: den „Girls“. Das Haar, lang und unfrisiert. Die ausgefransten Kleider. Ihr lautes, freies Lachen. Unter ihnen ist auch die ältere Suzanne, der Evie verfällt. Mit ihnen zieht sie zu Russell, einem Typ wie Charles Manson, dessen Ranch tief in den Hügeln liegt. Gerüchte von Sex, wilden Partys, einzelne, die plötzlich ausreißen. Evie gibt sich der Vision grenzenloser Liebe hin und merkt nicht, wie der Moment naht, der ihr Leben mit Gewalt für immer zerstören könnte.


Die Frage, die sich in diesem Moment stellt ist, wie ich diese Buchbesprechung anfangen soll. Weil ich wirklich nicht weiß wie ich in Worte fassen soll, wie unglaublich toll dieses Buch ist.
Zuerst werden wir in die Gefühlswelt von Evie, unserer Protagonistineingeführt. Wir bekommen einen Einblick in Evies Leben, im Alter von ca.  40 Jahren. Doch dann nimmt das Buch eine sehr interessante Fahrt. Wir reisen in die Vergangenheit und lernen die Jugendliche Evie und ihre Geschichte kennen. Das Buch gewinnt rasch an Spannung und eine drogengeschwängerte Stimmung führt uns weiter durch die Seiten der Geschichte. Dabei wird gekonnt von der Verführung und einer Parallelwelt der bürgerlichen Existenz, in die Evie immer wieder abtaucht, um ihre Mutter zu täuschen und zu besänftigen erzählt. Evies Orientierungslosigkeit in den jungen Jahren wird von Emma Cline treffend und geschickt geschildert. In grausamen und realistischen, sozialen sowie auch emotionalen Einzelheiten erzählt. Die Geschichte zeigt einem, wie sehr man sich für andere verbiegen muss um ihnen zu gefallen.
Angelehnt an die Charles - Manson- Sekte und dessen Families, werden dem Leser in erster Linie dessen Frauen und deren Beweggründe vorgestellt. Emma Cline schafft mit The Girls eine brillante Umsetzung dieser Geschichte.


Der Schreibstil ist sehr eigen und gewöhnungsbedürftig, was in diesem Fall gar nicht negativ gemeint ist. Es ist einfach überwältigend wie die Autorin so geschickt eine bedrückende Stimmung erzeugen kann und für den Lesern alles so bildhaft und lebendig wirken lässt.
Mit einer Unverfrorenheit erzählt Emma Cline die Geschichte unserer Protagonistin, wobei es faszinierend ist, wie sie auf das Leben einer Jugendlichen eingehen kann als auch auf das einer erwachsenen Frau. Die Veränderungen die Evie während des Buches macht sind sehr deutlich zu erkennen. Dazu gibt es noch eine zweite Erzählebene, in der wir immer wieder in die Gegenwarte gebracht werden und die uns einen Einblick in Evies Leben im Alter von rund 40 Jahren bietet. Doch trägt die Gegenwartsgeschite unserer Protagonistin nicht viel zu der allgemeinen Geschichte bei. Im laufe des Buches, stellte ich letztendlich für mich fest, dass diese Erzählebene mein Interesse kaum in Anspruch nahm und ich habe mich sogar dabei Ertappt die Seiten nur überflogen zu haben. Ich finde, dass die Geschichte an sich keine zweite Erzählebene aus der Gegenwart nötig hatte. Die Neugierde der Leser über das Leben in der Gegenwart unserer Protagonistin hätte geschickt mit einem Epilog oder einem Kapitel am Ende des Buches gelöst werden können.
Mich hat dieser Roman nicht kalt gelassen und man kommt dem Gefühl näher warum junge Menschen in die Fänge von solchen Sekten geraten und die Verführungen und Versuchungen die in den jungen Jahren an jeder Ecke lauern lernt man zu verstehen.

*Vielen Dank an den Hanser Verlag für die Bereitstellung eines Leseexemplars!

Die Vegetarierin von Han Kang

Samstag, 27. Mai 2017


Original: "채식주의자 (The Vegetarian)" / 2007, Aufbau Verlag / Argon Hörbuch Verlag*, 190 Seiten, Übersetzer /-in: Ki-Hyang Lee, gebunden, Einzelband, ★★★★☆ 4 von 5 Sterne, hier kaufen als BucheBook oder Hörbuch

E I N Z I G A R T I G   &   V E R S T Ö R E N D


Yeong-Hye und ihr Ehemann sind ganz gewöhnliche Leute. Er geht beflissen seinem Bürojob nach und hegt keinerlei Ambitionen. Sie ist eine zwar leidenschaftslose, aber pflichtbewusste Hausfrau. Die angenehme Eintönigkeit ihrer Ehe wird jäh gefährdet, als Yeong-Hye beschließt, sich fortan ausschließlich vegetarisch zu ernähren und alle tierischen Produkte aus dem Haushalt entfernt. »Ich hatte einen Traum«, so ihre einzige Erklärung. Ein kleiner Akt der Unabhängigkeit, aber ein fataler, denn in einem Land wie Südkorea, in dem strenge soziale Normen herrschen, gilt der Vegetarismus als subversiv. Doch damit nicht genug. Bald nimmt Yeong-Hyes passive Rebellion immer groteskere Ausmaße an. Sie, die niemals gerne einen BH getragen hat, fängt an, sich in der Öffentlichkeit zu entblößen und von einem Leben als Pflanze zu träumen. Bis sich ihre gesamte Familie gegen sie wendet.




Ich entschied mich sehr spontan für dieses Buch. Nach der Beendung, brauchte ich einige Zeit um meine Gedanken zu ordnen, das ganze irgendwie verdauen zu können. Die Vegetarierin ist eine Kunst, eine Kunst die gelichzeitig berührt und verstört.
Die Handlung des Romans bietet etwas Unerwartetes, Überraschendes und vor allem etwas Neues. Uns werden die gesellschaftlichen Umstände Koreas vorgestellt, eine Gesellschaft die sehr modern sein kann und trotzdem konservativ zu sein scheint. Oft zu extrem, mit den zahlreichen Szenen die kaum zu ertragen sind und die bei dem einen oder andere Leser sicherlich alle Grenzen überschreiten werden, entsteht beim Lesen eine eher überwiegend unangenehme Stimmung. Beim Lesen ist man zum großen Teil angeekelt, zum Teil aber auch fasziniert und obwohl nicht alles gut nachvollziehbar dargestellt wird, kann man schwer das Buch aus der Hand legen. In bestimmten Szenen tendiert das Buch stark in eine Porno Roman abzudriften, was nicht immer der Geschmack der Leser betrifft, aber hier irgendwie dazu zu gehören scheint.



Den Kluft den Han Kang in dem Buch schafft, zwischen den vernünftige Denkweise der Angehörige und der immer verrückter werdenden Obsession unsere Protagonistin, führt schließlich zu einem grotesken Fiasko das jeder überrascht. Die Art und Weise, wie die Autorin es schafft, das Buch aus seltsame kafkaeske Szenen zusammenzusetzen ist einfach nur bemerkenswert. Jedoch ist der Roman Die Vegetarierin nicht nur auf die emanzipatorische Weise angelegt. Hier handelt sich hauptsächlich um eine Frau, deren mentaler Zustand sich mit jeden Tag das vergeht verschlechtert ohne dass die Umstehenden wissen warum. Als Leser kann man der Grund Yeong-Hyes Zustands nur vermuten. Yeong-Hye ist durch die gesellschaftlichen Umstände gezwungen in viele Rollenbilder reinzuschlüpfen und Erwartungen zu erfüllen, ohne die Möglichkeit zu haben sich individuell zu entfalten. Daraus sie keinen Fluchtweg sehen konnte oder aus denen der Flucht nicht ohne Schmerzen und Konsequenzen erfolgt wäre. Mit welcher Gewalt sich dieses Unglück sich hier an die Oberfläche gedrängt hat und welche Konsequenzen diesen Ausreißer mit sich gebracht hat, ist in Buch absolut schockierend dargestellt. Nicht nur während des Lesen, sondern auch lange hinterher, verfolg den Leser eine sehr bedrückende Stimmung. Auch nach Monaten nachdem dieses Buch gelesen wurde, lässt einen nicht los und die Geschichte drängt sich immer wieder in den Gedanken des Lesers.

*Vielen Dank an den Argon Hörbuch Verlag für die Bereitstellung eines Hörexemplars!

Autor von Verraten Florian Schwiecker im Interview

Donnerstag, 11. Mai 2017

© Rupi Schröder
Florian Schwiecker ist 1972 in Kiel geboren. Ab 1983 in West-Berlin aufgewachsen, arbeitete er viele Jahre als Strafverteidiger. Im Rahmen seiner Tätigkeit hat er auch immer wieder Polizisten vertreten und so ein gutes Netzwerk im Rahmen der Sicherheitsbehörden aufbauen können. Er kennt daher die Welt des Verbrechens und der Ermittlungsbehörden aus erster Hand.
Mit Verratenseinem Debütroman, über den Agent der geheimen Spezialeinheit zur Terrorbekämpfung, Luk Krieger, gelingt Florian Schwiecker ein fantastischer Roman mit einer brisanten Thematik sowie auch authentischen Charakteren.

Wie kamen Sie auf die Idee des Buches?
Verrückterweise durch die Wirklichkeit. 2010 habe ich noch in Nordamerika gelebt und es kamen mehrere Sachen zusammen. Einer der wesentlichen Grundlagen meines Plots war der immer mehr in den Vordergrund rückende arabische Frühling und die Frage, welche Auswirkungen das auf die Welt und Europa haben könnte. Dann meine Nähe bzw. Freundschaft zu vielen Soldanten, bzw. Soldaten-Familien. Die haben sehr genau beobachtet, was in der Welt passiert und wie sich das entwickeln könnte, weil sich natürlich immer die Frage stellt, ob sie in einen neuen Einsatz geschickt werden.

Warum haben Sie genau dieses Thema für ein Buch ausgewählt?
Ich habe mir die Frage gestellt, was passieren würde, wenn radikal-islamische Organisationen es schaffen, Europa mit einer Terrorwelle zu überziehen und wie dann wohl die Interessenlage in Deutschland und der Welt ist. Ich habe damals nicht damit gerechnet, dass das alles Wirklichkeit werden könnte. 

Haben die Ereignisse aus dem letzten Jahr dazu beigetragen, dass Sie das Buch geschrieben haben?
Nein, die Geschichte stand schon vorher. Die Ereignisse haben vielmehr dazu beigetragen, dass ich das Buch beinahe nicht veröffentlicht hätte. Warum ich es dann doch getan habe, könnt ihr hier nachlesen
» http://luk-krieger.com/820-2

Wie viel Florian Schwiecker steckt in unserem Protagonist Luk?
Wir teilen die gleichen Werte und denken sehr ähnlich. Allerdings ist mir Luk in Fähigkeiten, Mut und Konsequenz zum Glück haushoch überlegen. Wären wir uns ähnlicher, hätte er vermutlich nicht mal das erste Drittel des Buches überlebt. 

Und wenn wir schon bei Luk sind, von wem ist die seine impulsive Fahrweise inspiriert worden?
Ha, eine super Frage. Also eine wirklich gute Freundin hat neulich mal gesagt, dass sie sich nicht wundert, dass Luk so fährt wie ich. Dazu muss ich allerdings sagen, dass ich während des Jurastudiums Politiker gefahren habe und deshalb auch eine spezielle Ausbildung bekommen habe. 

Von wem ist Anna Cole inspiriert?
Auch von einer lebenden Person :-)

Wie viel eigene Erfahrungen oder Erlebnisse stecken in ihrem Buch „Verraten“?
Eine ganze Menge. Dazu kommen auch die Erfahrungen und Einschätzungen anderer und am Ende natürlich auch eine gute Portion Fiktion. Ich habe das Buch so geschrieben, dass man sich nie ganz sicher sein kann, wo die Fakten enden und die Fiktion beginnt. Lustiger Weise sind die Punkte, die einige Leser für ausgedacht halten real und umgekehrt. 

Kannten Sie schon beim schreiben des ersten Satzes das Ende des Romans?
Nein, der hat sich tatsächlich einige Male geändert. Obwohl es natürlich immer cool klingt, wenn man den ersten Satz von Anfang an im Kopf hatte J

Wenn Sie die Gelegenheit hätten das Buch neu zu schreiben, würden Sie etwas verändern?
Nein, das würde ich nicht, denn ich schaue immer eher nach vorne. Nachdem VERRATEN fertig war und ich es dann mit einigem Abstand nochmal gelesen habe, sind mir aber viele Ideen für das nächste Buch gekommen. Fragen, die noch nicht beantwortet sind, Charaktere, über die man mehr erfahren möchte usw.

Wann schreiben Sie gerne?
Wenn ich nicht unter Druck stehe.

Wie sind Sie beim Schrieben?
Glücklich!

Was weckt Ihre Inspiration zu einem neuen Buch?
Die Wirklichkeit. 

Jeder Mensch lässt sich im leben von bestimmten Persönlichkeiten beeinflussen. Haben Sie solche Vorbilder?
Absolut. Das sind zum Teil reale Menschen, zum Teil auch fiktive Charaktere. Was ich sehr gerne mag, sind Menschen, die Ecken und Kanten haben und für ihre Überzeugung einstehen und diese auch vertreten. Und das nicht, weil es vielleicht populär ist, oder weil man es so machen sollte, oder weil es sich so gehört. Sondern einfach, weil sie es glauben und es für sie das Richtige ist. 

Lesen Sie auch selber gerne?
Tag und Nacht.

Haben Sie ein Lieblingsbuch oder ein Buch, dass Sie zum schreiben inspiriert hat?
Zum Lesen inspiriert haben mich u.a. Agatha Christie, Edgar Wallace, Astrid Lindgren. Zum Schreiben inspiriert haben mich John Grisham, David Baldacci, Nelson DeMille, Lee Child, Colin Dexter, Daniel Silva und dann zum Teil auch Vince Flynn, der leider viel zu früh verstorben ist. Ach ja, und natürlich auch Ian Fleming :-)

In welchem Roman würden Sie gerne als Charakter auftreten?
In einem spannenden Roman, der seine Helden vor eine schier unlösbare Aufgabe stellt, ihnen aber eine realistische Chance lässt, mit Geschick, Mut und auch einer gehörigen Portion Unverschämtheit ihr Ziel zu erreichen. Und Spaß würde ich dabei auch haben wollen.

Neugierig auf den Roman von Florian Schicker "Verraten"? Hier geht es zur Buchbesprechung. »

© Rupi Schröder


Good as Gone von Amy Gentry

Dienstag, 2. Mai 2017


Original: " Good as Gone" / 2016, C.Bertelsmann Verlag* , 320 Seiten, broshiert, Übersetzer / -in: Astrid Arz, Einzelband,★☆☆☆☆ 1 von 5 Sterne, hier kaufen als BucheBook oder Hörbuch

E I N   W I R R E S   D U R C H E I N A N D E R

Tom und Anna haben das Schlimmste erlebt, was sich Eltern vorstellen können: Ihre 13-jährige Tochter Julie wurde entführt, alle Suchaktionen waren vergebens, die Polizei hat den Fall längst zu den Akten gelegt. Acht Jahre später taucht plötzlich eine junge Frau auf und behauptet, die vermisste Tochter zu sein. Die Familie kann ihr Glück kaum fassen. Doch schon bald spüren alle, dass die Geschichte der Verschwundenen nicht aufgeht. Anna hegt einen furchtbaren Verdacht. Sie macht sich auf die Suche nach der Wahrheit über die junge Frau, von der sie inständig hofft, dass es ihre Tochter ist, die ihr gleichzeitig aber auch fremd erscheint und das gesamte Familiengefüge gefährlich ins Wanken bringt …


Der Fall Natascha Kamputsch ist sicherlich vielen von euch bekannt. Good as gone scheint genau von diesem Fall inspiriert zu sein. Ein junges Mädchen, dass vor Jahren auf merkwürdige Weise verschwindet, kehrt nach Jahren zurück. Nun sie ist zurück, aber sie ist nicht das Kind, dass verschwunden ist. 
Die Hauptidee des Buches finde ich, so brutalisch es klingen sollen mag, sehr interessant und spannend. Man kann viel daraus machen, leider war das nicht der Fall von Good as Gone. 
Ich habe mich richtig auf das Buch gefreut und als es bei mir angekommen ist, musste es nicht lange darauf warten gelesen zu werden.


Ich kam ziemlich gut rein, aber ich konnte mich nicht in der Geschichte wirklich wiederfinden. Beim Lesen schien mir alles so kalt und distanziert. Bis zu den ersten 50 Seiten war das Buch noch klar und einigermaßen nachvollziehbar, doch dann kam ein Perspektivenwechseln, der bis Ende des Buches nie aufhörte. Einerseits spannend aber anderseits unglaublich verwirrend, irritierte mich der Perspektiven wechsel so, dass ich stark am Buch zweifelte. Ich kämpfte mich durch die Seiten auf das Ende hin, leider ohne den Erfolg aus den Buch schlauer zu werden. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich teilweise gar nicht verstanden habe worum es gerade im Buch ging, weil alles so verwirrend war. Vor allem frage ich mich was die Autorin mit diesem Buch bezwecken wollte. Amy Gentry schreibt völlig emotionslos und vor allem bringt sie kaum etwas Aussagekräftiges zum Papier. Die Zusammenhänge der Geschichte die dazu dienen sollten die Geschichte vertrauenswürdig und nachvollziehbar zu gestallte, fehlen hier komplett. Jede Seite die gelesen wird verwirrt einer nur noch mehr, so dass man am Ende nichts mehr aus der Geschichte anordnen kann und völlig konfus zurückbleibt.

*Vielen Dank an den c. Bertelsmann Verlag für die Bereitstellung eines Leseexemplars!

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